Das Grabfeld J

Ab Mai 1942 bis Januar 1945 wurden hier rund 300 Opfer von Krieg und staatlicher Gewalt beigesetzt. Weit mehr als die Hälfte waren Justizgefangene, zumeist Hinrichtungsopfer. Etwa ein Drittel waren zivile Zwangsarbeiter:innen. Hinzu kommen 19 Umsiedler:innen, zwölf Polizeihäftlinge, zwei Wehrmachtssoldaten und Monika Lauth ein Opfer der NS-Krankenmorde.



Belegung des Grabfelds

Ab Mai 1942 bis Januar 1945 wurden hier rund 300 Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft beigesetzt. Weit mehr als die Hälfte waren Justizgefangene, zumeist Hinrichtungsopfer. Etwa ein Drittel waren zivile Zwangsarbeiter:innen. Hinzu kommen über zwanzig Umsiedler:innen, zwölf Polizeihäftlinge, zwei Wehrmachtssoldaten und Monika Lauth, ein Opfer der NS-Krankenmorde.

Bis zu drei Leichname kamen übereinander in ein Grab. Die Hinrichtungsopfer wurden seit Juli 1942 in diesem Grabfeld beigesetzt. Sehr wahrscheinlich existierte spätestens seit dieser Zeit eine zumindest informelle Vereinbarung zwischen der Stadt Dresden und der Katholischen Kirchhofstiftung, der zufolge Hinrichtungstote römisch-katholischer Konfession auf Kosten der Kommune auf dem Neuen Katholischen Friedhof zu bestatten waren. Unter den Bestatteten ist mit dem tschechischen Kaufmann Osvald Neumann auch ein vom Judentum zum katholischen Glauben Konvertierter, dessen Witwe und Sohn noch im Jahr seines Todes Opfer des Holocausts wurden. 

Angehörige, die sich wie die Schwester von Václav Křížek Ende 1943 an das städtische Bestattungsamt wandten, um den Bestattungsort zu erfahren, erhielten eine korrekte Auskunft. Die fehlende Anrede und Grußformel zeigen allerdings den distanzierten Umgang der Behörden mit den Anfragenden.

Ab Juli 1943 fanden die Beisetzungen Hingerichteter im Grabfeld N statt. Eine Ausnahme macht Václav Kropáček, dessen Beisetzung Mitte Dezember 1943 in diesem Grabfeld in einem Einzelgrab erfolgte. 

Zusätzlich erfolgte am 20. Januar 1945 die Beerdigung von zehn am 11. und 12. Januar 1945 hingerichteten männlichen Justizgefangene an einer nicht näher bekannten Stelle im Grabfeld J. Im Bestattungsbuch findet sich anstelle der konkreten Grablage ein Fragezeichen sowie der Hinweis „Namen nicht genau stimmend nur vermittelt“. Die Beisetzung zu einer Zeit, in der das Grabfeld J nicht mehr mit Justizgefangenen belegt wurde, ging offenbar ohne die üblichen Übermittlungswege vonstatten. 

Mit Abstand die meisten hier bestatteten Justizhäftlinge, nämlich 120, waren tschechischer Nationalität, gefolgt von 39 polnischen Gefangenen. Viele von ihnen hatten sich aktiv der deutschen Besatzungsherrschaft in ihren Ländern widersetzt, so die polnische Lehrerin Sabina Malińska und der aus Poznań stammende Hieronim Jędrusiak oder der Tscheche Jaroslav Vondráček.

Während die vorderen im nördlichen Teil des Grabfelds gelegenen Reihen überwiegend mit Hinrichtungsopfern belegt wurden, kamen in den hinteren Grabreihen stärker zivile Zwangsarbeiter:innen und weiteren Opfergruppen hinzu. Nur ausnahmsweise sind Hingerichtete jedoch mit anderen Opfern in einem Grab bestattet. 

Die Beisetzung von zivilen Zwangsarbeiter:innen und Umsiedler:innen erfolgte zwischen Mai 1942 und Mitte März 1944. Anschließend wurden diese in den Grabfeldern H, K und N bestattet. Eine Ausnahme bilden die menschlichen Überreste von neun Zwangsarbeiter:innen, zwei Umsiedler:innen und zwei Soldaten, die zwischen Ende März und Anfang Mai 1944 am westlichen Rand des Grabfelds bestattet wurden. Zwei Monate nach Kriegsende wurde zudem ein vormaliger kroatischer Zwangsarbeiter hier beerdigt.

Knapp ein Drittel der Zwangsarbeiter:innen war polnischer Nationalität, gefolgt von 18 französischen Zwangsarbeiter:innen. Die Zwangsarbeiter:innen waren mehrheitlich in Lagern einquartiert. Hierzu zählten Wohnbaracken der Firma Zeiss-Ikon in der Neuländer Straße 29 und der Bodenbacher Straße 152/154. Dort war etwa die Stanzerin Veronika Kapitanowa untergebracht. Andere Verstorbene lebten in Wohnlagern der Deutschen Reichsbahn in der Gröbelstraße 3, der Hamburger Straße 39/41 oder am Weißeritzufer (heute Emerich-Ambros-Ufer) 74. 

Die zivilen Zwangsarbeiter:innen starben in den Lagern oder in Dresdner Krankenhäusern, zumeist infolge von Infektionskrankheiten und Arbeitsunfällen. Von dem jungen polnischen Landarbeiter J. K. ist ein Krankenprotokoll überliefert, das seinen Zustand und sein Sterben dokumentiert.

„K[…], J […] 

Größe: 1,63 Gewicht 57,5 Temp. 36,8 Puls 88

Pat. kam in einem lebhaft unruhigen Zustand auf Stat. 16. Schrie und jammerte laut und wand sich vor Schmerzen und zeigte auf seine Füße welche er mit beiden Händen zu stützen suchte. Eine Verständigung war schwer möglich. Erhielt sofort 0,2 Morphium-Inj. mit gutem Erfolg. Beide Füße sind stark gerötet und geschwollen und an beiden großen Zehen je eine 1 ccm. große Rißwunde. Am rechten Knie eine gerötete Stelle. Gegen Abend wurde er wieder lebhaft, jammerte und klagte weiter über Fußschmerzen.

[…]

12.VIII. veränderte sich plötzlich, fing an zu röcheln und hatte Hustenreizung, Puls sehr verlangsamt […] bekam 15:00 5ccm Campher mit wenig Erfolg. Seine Mahlzeiten hatte er bis dahin allein restlos eingenommen. 15.30 bedenklich grau.

Nachts bei Übernahme der Wache schwacher Puls. Nur noch ganz oberflächlich u[nd] stoßweise, 19, 15 Uhr ist Pat[ient] ruhig gestorben. 

Aus dem Krankenprotokoll von J. K. vom 8. bis 12. August 1942, Stadtkrankenhaus Löbtauer Straße © Arolsen Archives

Die 28-jährige Polin Anastazja Wochnik überlebte die Entbindung ihrer Tochter Anna im Stadtkrankenhaus Friedrichstadt nicht. Die Tochter starb nach sieben Stunden und wurde mit ihrer Mutter in einem Grab bestattet. Eher ungewöhnlich waren die Todesumstände von Lodewijk Raymakers, der beim Baden in der Elbe ertrank. 

Die Umsiedler:innen stammten aus der Untersteiermark und der Bukowina und waren vor ihrer Durchschleusung jugoslawische bzw. rumänische Staatsangehörige. Ihre Unterbringung erfolgte in Lagern, die die Stadt Dresden zu diesem Zweck auf Weisung der Volksdeutschen Mittelstelle eingerichtet hatte, etwa in einem Kurhaus am Ullersdorfer Platz, in der Tonhalle in der Glacisstraße 28 oder in Dresdner Volksschulen, so in der Ehrlichstraße 1, der Oppelstraße 37 und der Wallwitzstraße 20 (heute Clara-Zetkin-Straße). Rosa Feibel beispielsweise war mit ihrer Familie in der 6. Volksschule in der Ehrlichstraße 1 einquartiert.

Das Grabfeld in der SBZ/DDR

Nachdem Bergungskommandos aus Belgien und Frankreich dem Friedhof einen Besuch abgestattet hatten, veranlasste die Friedhofsverwaltung Ende April 1948 die Exhumierung und Überführung der menschlichen Überreste von vier belgischen und sechs französischen zivilen Zwangsarbeiter:innen aus diesem Grabfeld sowie von neun Zwangsarbeiter:innen aus den Grabfeldern H und K dieses Friedhofs auf den Französischen Nationalfriedhof in Berlin-Frohnau. Dieser war 1946 als Sammelfriedhof für Kriegsgefangene, Konzentrationslagerhäftlinge und Zwangsarbeiter:innen aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, und Luxemburg angelegt worden, die in Berlin und Umgebung gestorben waren. Einige von ihnen, darunter Odette Pot, wurden nach dessen Auflösung 1954 auf den Berliner Friedhof Heiligensee umgebettet.

Weitere Exhumierungen und Überführungen aus diesem Grabfeld fanden mutmaßlich nicht statt. Jedoch erwirkte die Tochter von František Bohuslavický drei Jahre nach Kriegsende die Umbettung der sterblichen Überreste ihres Vaters an eine Wegstelle im Grabfeld J und nahm es in Pflege.

Der 1943 im selben Grab bestattete tschechische Zwangsarbeiter Karel Havelka fand auf dem Grabstein keine Erwähnung. Die Neubelegung seines Grabes – der Leichnam wurde in diesen Fällen tiefer gelegt – ist symptomatisch für den Umgang mit zivilen Zwangsarbeiter:innen und Umsiedler:innen nach 1945. In der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre belegte die Friedhofsverwaltung die Gräber in den hinteren Grabreihen ab dem Grab Nr. 66 neu. Die Überbettungen betrafen mehrheitlich Gräber von zivilen Zwangsarbeiter:innen und Umsiedler:innen, die offenbar als nicht erhaltenswert eingestuft wurden. Auch einzelne Gräber von Hinrichtungsopfern wurden eingeebnet, darunter das von Alois Paďouk.

In welchem Umfang einzelne Gräber im Grabfeld J nach Kriegsende eingefasst und mit Grabkissen versehen wurden, ließ sich bisher nicht rekonstruieren. Einer Kostenaufstellung der Katholischen Kirchhofstiftung aus dem Jahr 1947 zufolge wurden auf dem gesamten Friedhof gut 50 „ausländische“ Einzelgräber entsprechend dem Befehl der sowjetischen Militäradministration vom 30. Dezember 1945 gepflegt, darunter fünf als „tschechisch“ und vier als „polnisch“ identifizierte Gräber, die sich mutmaßlich überwiegend im Grabfeld J befunden haben. 

1968: Gedenk- und Begräbnisanlage für „128 Kämpfer gegen den Faschismus aus der CSSR“

Nach Beschwerden von Angehörigen von Hinrichtungsopfern über den Zustand der Gräber übernahm der Rat der Stadt Dresden Mitte 1965 die Kosten für Instandsetzung, Bepflanzung und Grabpflege von drei Gräbern in diesem Grabfeld und einem weiteren Grab im Grabfeld G. Zu dieser Zeit befanden sich rund vierzig weitere überwiegend mit Hinrichtungsopfern belegte Gräber in einem ungepflegten Zustand. 

Um weiteren Beschwerden von Angehörigen zuvorzukommen, schlug die Katholische Kirchhofstiftung dem Rat der Stadt Dresden im September 1965 vor, den vorderen Teil des Grabfelds J in ein Beet ohne sichtbare Gräber umzugestalten, diesen mit einer Hecke einzufrieden und mit einem gemeinsamen Gedenkstein zu versehen. Die Inschrift sollte in deutscher und tschechischer Sprache lauten: „Hier ruhen in Gott 128 Bürger der CSSR // Opfer des Faschismus“. 

Wer tatsächlich hier bestattet war, wurde nicht näher geprüft. Aufgrund der Friedhofsbücher und daraus nach Kriegsende erstellter Listen hätten die Verantwortlichen wissen können, dass in diesem Teil des Grabfeldes nicht nur tschechische Opfer lagen. 

Auch aufgrund von Einwänden des Svaz protifašistických bojovníků (Verband der antifaschistischen Kämpfer) der Tschechoslowakei erfuhr der Inschrift-Text durch den Rat der Stadt Dresden eine Umformung im Sinne des DDR-Antifaschismus. Der Gottesbezug einschließlich des eingemeißelten Kreuzes blieb zwar erhalten, doch wurden die „Bürger“ bzw. „Opfer“ zu „Kämpfern“. Zudem entschied er sich für eine rein deutsche Textfassung. 

Vor der Aufstellung des Gedenksteins im Frühjahr 1968 ließ die Friedhofsverwaltung den vorderen Teil des Grabfeldes einebnen, planieren und durch eine Hecke abtrennen. Über Steinplatten schuf sie eine Wegeführung zu dem Stein. Das Grab einer Dresdnerin, die 1964 innerhalb der Parzelle bestattet worden war, wurde innerhalb des Friedhofs umgebettet. Im Herbst 1970 fertigte die Friedhofsverwaltung auf Bitten der Familie des hingerichteten Stanislav Langr  Aufnahmen der Anlage an. 

Grundlage für die laut Inschrift in der Parzelle bestatteten Menschen war eine „Liste der 128 Tschechen“. Die dort aufgeführten Grabnummern reichen jedoch über die mit der Hecke eingefassten Gräber hinaus, die im Grabstellenbuch nachträglich mit dem Verweis „jetzt OdF CSSR“ gekennzeichnet wurden.

Das Grabfeld nach 1989/90

Anfang der 1990er-Jahre geriet das Grabfeld J im Rahmen der Neuerfassung der Gräber auf der Basis des Gräbergesetzes erneut in den Blick. Der damalige Friedhofsverwalter wies darauf hin, dass die gärtnerisch gestaltete Gedenk- und Begräbnisanlage hinter der Hecke nur einen kleineren Teil der Gesamtfläche des Grabfeldes ausmacht. Überlegungen, das gesamte Gräberfeld zu rekonstruieren und die einzelnen Gräber namentlich zu kennzeichnen oder zumindest Metalltafeln mit Namensgruppen anzubringen, wurden bis heute nicht weiterverfolgt. Infolge der Anerkennung des gesamten Grabfeldes als Sammelgrab laut Gräbergesetz vergab die Friedhofsverwaltung die vielfach überbetteten Gräber nach Ablauf der Ruhefristen nicht erneut. Zudem brachte sie am Rande des Grabfelds eine Liegetafel auf. Die Inschrift behauptet fälschlicherweise, dass in diesem Grab neben Opfern nationalsozialistischer Gewalt auch „130 Opfer der Bombenangriffe aus 16 Nationen“ bestattet sind. Tatsächlich sind in diesem Grabfeld aber keine Luftkriegstoten beigesetzt. 

2003: Gedenkanlage für fünf polnische Märtyrer

Die am 4. Mai 2003 eingeweihte Anlage nach einem Entwurf von Dompfarrer Klemens Ullmann erinnert an fünf am Münchner Platz am 24. August 1943 hingerichtete junge Männer aus Poznań. Im Juni 1999 hatte Papst Johannes Paul II. sie seliggesprochen. Die zweisprachige Inschrift „Hier ruhen die polnischen Märtyrer“ ist irreführend, da Czesław Jóźwiak, Edward Kaźmierski, Franciszek Kȩsy, Edward Klinik und Jarogniew Wojciechowski nicht an dieser Stelle und auch nicht in einem gemeinsamen Grab beigesetzt wurden. Edward Klinik etwa liegt mit Hieronim Jędrusiak in einem Grab. Hieronim Jędrusiak wie auch Marian Kiszka, die derselben Widerstandsgruppe angehörten, werden nicht genannt, obwohl sie und mit den fünf später Seliggesprochenen im selben Prozess verurteilt worden waren. Sie waren jedoch nicht mit dem Salesianer-Orden aus Poznań verbunden, der das Seligsprechungsverfahren initiiert hatte. Die menschlichen Überreste der fünf bzw. sieben Polen befinden sich in drei verschiedenen Gräbern, die alle in der ursprünglich durch eine Hecke abgeschirmten Gedenk- und Begräbnisanlage für tschechische Widerstandskämpfer liegen. Mit der Einrichtung der Gedenkanlage für fünf polnische Märtyrer wurden die menschlichen Überreste anderer hier bestatteter Opfer überbettet.

2005: Symbolische Gedenkanlage für zwölf polnische Hinrichtungsopfer aus Gostyń

Die Liegeplatte mit der zweisprachigen Inschrift „In Memoriam der in Dresden hingerichteten Mitglieder der Widerstandsgruppe ‚Schwarze Legion’“ wurde am 25. Juni 2005 eingeweiht. Sie erinnert symbolisch an zwölf junge Polen aus Gostyń, die am 23. bzw. 24. Juni 1942 am Münchner Platz hingerichtet wurden. Im Unterschied zu den meisten polnischen Hinrichtungsopfern wurden sie allerdings nicht auf dem Neuen Katholischen Friedhof bestattet. Ihre menschlichen Überreste erhielt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Anatomische Institut der Universität Leipzig. 

Seit Mitte der 1980er-Jahre bemühte sich neben anderen Marian Sobkowiak (1924–2017), ein überlebendes Mitglied der „Schwarzen Legion“, um einen Gedenk- und Erinnerungsort für die Hinrichtungsopfer der Gruppe auf dem Friedhof. Mit Hinweis auf den bereits vorhandenen Ehrenhain lehnte die Stadt Dresden diesen Wunsch jedoch vor 1989/90 ab. Bis das symbolische Grabmal geschaffen wurde, besuchten Delegationen aus Gostyń den Friedhof und legten einen Kranz an der Gedenkanlage im Grabfeld N ab.