Lager in der Bremer Straße
Seit der Zeit des Nationalsozialismus finden sich in der unmittelbaren Umgebung des Friedhofs Lager. Sie beherbergten Zwangsarbeiter:innen, Umsiedler:innen, Vertriebene und heute Geflüchtete.
Im Dresdner Adressbuch für die Jahre 1943/44 sind die Grundstücke in der Bremer Straße 3 bis 31 gegenüber dem Neuen Katholischen Friedhof als Baustellen bezeichnet. Auf einer Luftaufnahme vom April 1945 sind verschiedene Baracken zu erkennen, die wie ein zusammenhängender Lagerkomplex wirken.
Im Nationalsozialismus unterhielten die Stadt Dresden und verschiedene Firmen in der Straße Wohnbarackenlager für Zwangsarbeiter:innen. So existierte auf der Bremer Straße 25 ein sogenanntes Ausländerlager der Firma Seidel & Naumann, die ihren Sitz in der angrenzenden Hamburger Straße hatte. Etwa dreißig zivile Zwangsarbeiter:innen waren den Friedhofsbüchern zufolge vor ihrem Tod in Auffang- und Durchgangslagern in der Bremer Straße untergebracht. Als Anschrift ist überwiegend die Bremer Straße 15 angegeben.
Unmittelbar nach Kriegsende nutzte die Dresdner Stadtverwaltung die Bremer Straße, um Vertriebene und entlassene deutschen Kriegsgefangenen unterzubringen. Über ein Drittel der auf dem Neuen Katholischen Friedhof bestatteten Vertriebenen war in dem vormaligen Lager Firma Seidel & Naumann in der Bremer Straße 25 einquartiert , in dem die Firma Seidel & Naumann zuvor zivile Zwangsarbeiter:innen untergebracht hatte.
„Die 4 Baracken des Lagers, die jetzt der Aufnahme von 600 – 800 Flüchtlingen dienen sollen, sind alle reparaturbedürftig. Fensterrahmen, Fenster und Türen fehlen fast überall oder sind defekt. Die Dächer müssen ausgebessert werden. Die Schornsteine sind abgeknickt oder verbogen, so dass nicht ohne Gefahr geheizt werden kann. […] Die Baracken sind sehr verschmutzt […] Es werden etwa 6 Arbeitskräfte ständig gebraucht (4 Frauen, 2 Männer), da man sonst auch nicht des Ungeziefers Herr werden kann […] Die Flüchtlinge können im allgemeinen nicht dazu herangezogen werden, da sie meist erschöpft sind. […] Die Ungezieferbeseitigung ist im Hinblick auf die Seuchengefahr, die vom Ungeziefer ausgeht, wesentlich. Gegen die Rattenplage muss auch energisch vorgegangen werden. […]
Bezirksgesundheitsamt III, Bericht über das Barackenlager Bremer Straße, 7.8.1945 (Auszug) © Stadtarchiv Dresden, 4.1.10, Nr. 42
Mindestens vierzehn bestattete Vertriebene, darunter Elisabeth von Foerster, starben in einem Hilfskrankenhaus des Roten Kreuzes in der Bremer Straße 51/53, das für nicht reisefähige Geflüchtete im Stadtteil Friedrichstadt zuständig war. Faktisch handelte es sich um eine Unterkunft für „Sieche und Alterskranke“, wie das Gesundheitsamt anlässlich einer Besichtigung am 1. September 1945 feststellte. Ein „besonderer Leichenraum“ wurde für nicht notwendig gehalten, „da über die Straße hinweg 2 Friedhöfe liegen“ (Hauptgesundheitsamt, betr. Lagerbetreuung, Besichtigung, 1.9.1945, Stadtarchiv, 4.1.10, Nr. 42, Bl. 60f).
Die Nutzung der Bremer Straße für die vorübergehende bzw. zwangsweise Unterbringung von Menschen an diesem Ort hält bis heute an. 2015 richtete die Stadt Dresden in der Bremer Straße 25 ein sogenanntes „Containerdorf“ für Geflüchtete ein.
Auch weitere im Nationalsozialismus für die Unterbringung von Zwangsarbeiter:innen, aber auch von Umsiedler:innen genutzte Unterkünfte in Baracken oder Schulen erfuhren eine Nachnutzung für die Unterbringung von Vertriebenen. Dazu gehört ein Lager für Zwangsarbeiter:innen der Firma Zeiss-Ikon in der Neuländer Straße 29 in Dresden-Trachau.